Mein Sohn Claus hat 2006 das Licht der Welt erblickt. Als ich ihn zum ersten Mal gesehen habe, bemerkte ich: mit ihm stimmt etwas nicht. Claus hatte ein Feuermal über dem rechten Auge, an der Oberlippe und eine dunkelrote Hautfarbe am ganzen Oberkörper, mit zwei kleinen Aussparungen im Brustbereich. Der Kinderarzt, der Claus untersucht hatte, war ratlos, hat uns aber dazu geraten einen Ultraschall von seinem Herzen, Gehirn und Abdomen machen zu lassen. Die Untersuchungen fielen unauffällig aus. Nach neun Monaten sollte noch einmal kontrolliert werden, ob sich etwas verändert hat. Diese Untersuchung hat nie stattgefunden, weil unser Kinderarzt uns das nicht gesagt hatte. Auf die Frage, ob man noch weiterforschen soll, sagte er, das müsse man nicht. Und ab da war für mich klar: Claus sieht ein bisschen anders aus, aber das ist ok, ist ja mein Sohn. Mit einem halben Jahr bemerkten wir zum ersten Mal, dass die rechte Gesäßseite kleiner war als die linke. Der Kinderarzt meinte, das gibt es schon mal und es wäre nicht schlimm. Nach und nach bemerkten wir, dass die Beine und Füße auch davon betroffen waren. Mit neun Monaten fiel uns auf, dass der linke Arm nun deutlich größer als der rechte war. Abermals fragten wir den Kinderarzt, der dies immer noch als nicht schlimm empfand und uns sagte, manchmal kommt so etwas in der Natur vor. Mittlerweile war ich stark beunruhigt, zumal bei Claus auch noch eine deutliche Entwicklungsverzögerung auffiel. So bestand ich darauf, dass dieses alles abgeklärt wird. Die erste Station war 2008 ein Hautarzt. Er untersuchte Claus ganz genau und diktierte seiner Arzthelferin alles, was ihm auffiel. Und ich hatte das Gefühl, ich wäre gar nicht anwesend. Als ich ihn fragte, was er denn meinte, sagte er, eine Hemihypertrophie links und ein sogenanntes Mosaik würde auch noch in Frage kommen und der Kopf meines Sohnes wäre sehr auffällig. Es gäbe Krankheitsbilder, da könnte es lebensbedrohlich werden. Er würde mir dringend empfehlen, bei einem Professor in der Hautklinik vorstellig zu werden und verschwand aus dem Zimmer. Da wurde mir zum ersten Mal bewusst, dass es etwas Ernsteres sein könnte. Zu Hause habe ich im Internet nachgeschaut, was eine „Hemihypertrophie“ ist („Halbseitenriesenwuchs“)und war ganz erschüttert. Ich hatte ja noch keine Ahnung, was noch kommt. In der empfohlenen Hautklinik kam zuerst der Oberarzt und, nachdem er Claus angesehen hatte, sagte er uns, er wäre ratlos und zog den Professor hinzu. Der warf auch kurz einen Blick auf unseren Sohn und sagte uns, dass er eine Hemihypertrophie ausschließe, weil man die von Geburt an hat und wir sollten doch mal nach M. fahren, weil er auch nicht wüsste, was das wäre. Beim Rausgehen sagte er noch zu uns, die Natur hätte schon komische Launen, schmunzelte und verschwand. Ich war richtig sauer und meine Angst wurde immer größer. Da bis zum Termin noch viel Zeit war, wurde ich das erste Mal in einem SPZ (Sozialpädiatrisches Zentrum) vorstellig. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl hier nimmt man meine Sorgen ernst. Claus wurde hier ausführlich untersucht und beobachtet. Am Ende des Gesprächs hörte ich den Namen Klippel-Trenaunay-Syndrom das erste Mal - ich war erschüttert. Ich bekam eine Menge Dinge gesagt, die bei Claus unbedingt gemacht werden sollten; zur weiteren Abklärung, um zu sehen was alles betroffen war. Mit allen bis dahin angesammelten Berichten ging es dann endlich nach M. zu einem Professor, der sich angeblich sehr gut mit seltenen Erkrankungen auskennt. Meine Hoffnung auf Antworten war sehr hoch. Wir bekamen ihn ungefähr ne' halbe Stunde zu Gesicht. Er sagte nicht viel, war ratlos und sagte uns, dass es auch das Proteus-Syndrom sein könnte. Auf meine Frage, was das wäre, erhielt ich keine Antwort. Dann fragte ich ihn noch, ob man denn nicht die ganzen Untersuchungen, wie sie in den mitgebrachten Unterlagen vorgeschlagen waren, machen sollte. Nach langem Überlegen stimmte er zu, sagte dann aber, dies müsse in der Kinderklinik gemacht werden. Also durften wir von dort aus da anrufen und bekamen einen neuen Termin. Mit unseren gepackten Koffern, weil ich ja gedacht hatte, es würde jetzt endlich was passieren, ging es sehr enttäuscht und sehr traurig zurück nach Hause. Ich klagte meinem Kinderarzt mein Leid und fragte ihn, ob man denn nicht schon was hier machen könnte; zumal der linke Fuß von Claus immer größer wurde und der in keinen Schuh mehr passte, während der rechte Oberarm immer kleiner wurde. Der Kommentar war nur, es wäre doch wahrscheinlich nur ein Syndrom und ich solle mal nicht gleich hysterisch werden. Ich bekam widerwillig eine Überweisung für einen Orthopäden und bin gegangen. Mein letzter Besuch - dann ich fand einen neuen Kinderarzt. Der Besuch beim Orthopäden war genauso „erfolgreich“. Ich solle doch meinem Sohn zwei Paar Schuhe kaufen; für Kinder würde es erst ab fünf Jahren spezielle Schuhe geben und überhaupt: das ist Babyspeck, das verwächst sich noch. Ende September 2008 ging es endlich wieder nach M. voller Erwartung, das nun was passiert. Nach dem Schlaf-EEG war Claus so gestresst, dass er nur noch brüllte, denn er hasste Ärzte mittlerweile und diese vielen Untersuchungen wurden langsam für uns zum Albtraum. Die Ärztin von der neuropädiatrischen Station war sehr genervt und sagte mir dann auch nur sehr kurz, was sie meint, was man machen müsse und verließ uns mit der Aussage, die Klinik meldet sich sobald ein Termin für die stationäre Aufnahme geregelt wäre, weil so viele verschiedene Ärzte ihn ansehen müssten. Und so ging es erneut nach Hause. Einen Monat später war es soweit: unser stationärer Aufenthalt. Das war für Claus noch ein viel größerer Albtraum. Am ersten Tag die Untersuchung, ob man ihn für den geplanten Ganz-Körper-MRT in Vollnarkose versetzen könnte. Das sah gut aus bis morgens um vier Uhr. Da hat er vor lauter Stress angefangen, sich zu übergeben. Ich hatte Angst, dass man jetzt nichts mehr machen würde; aber sie haben es dennoch gemacht. Am zweiten Tag war HNO-Vorstellung mit Hörtest und Untersuchung, weil Claus da noch nicht sprechen konnte außer „Mama“, „Papa“ und „alles ok“. Danach Ultraschall vom Herzen (fand er gar nicht gut) und noch mal Schlaf-EEG. Am dritten Tag Augenarzt. Claus wollte nicht. Die Ärztin wollte mit Gewalt seine Augen öffnen. Da habe ich abgebrochen. Die Ärztin war beleidigt – mir war es egal. Nach einem kurzen Abschlussgespräch und mit der Bestätigung Klippel-Trenaunay-Syndrom. Mit den Empfehlungen für ein jährliches Screening auf Nebennierentumoren, einer Labordiagnostik, einer erneute Vorstellung beim Augenarzt und dem Einsatz von Frühförderung ging es endlich nach Hause. Da sich Claus aber immer mehr körperlich veränderte, war ich damit nicht zufrieden. Als ich dann das erste Mal bemerkt habe, das er jetzt auch noch Lymphödeme hat, habe ich von einer Klinik in Südwestdeutschland gehört (Lymphologische Klinik). Die hatten da auch schon Patienten mit dem Klippel-Trenaunay-Syndrom. Das gab mir wieder Hoffnung vielleicht doch noch ein paar Fragen beantwortet zu bekommen. Ich bin zur Krankenkasse „Da möchte ich hin, weil die Ahnung haben, uns wahrscheinlich weiter helfen, etwas für seine Lymphödeme tun können.“ Pustekuchen, die Krankenkasse hat schon einmal abgelehnt. Ich fürchtete, der Widerspruch wird auch abgelehnt. Ambulant hätten wir fahren können. Über 800 Kilometer mit einem zweieinhalbjährigen Kind. Die spinnen doch. Es würde ja auch gar nicht ausreichen. Ich renne denen nun die Tür ein, bin mittlerweile ganz verzweifelt, wie alleine man dasteht. Keiner hilft einem. Nicht mal die Kinderärztin. Sie sollte mir was schreiben für den Widerspruch und hat mich dann gefragt: „Was denn?“ Ich habe mich dann gefragt, wofür ich sie überhaupt habe - ach, ich vergaß … für die Überweisungen. Nach der letzten Impfung ins linke Bein hat Claus ganz übel reagiert: ein großer blauer Fleck über den ganzen Oberschenkel, geschwollene Knie, noch mehr geschwollene Füße. Auf meine Frage, was das wäre, sagte die Kinderärztin: „Lymphödeme und Hämatom im Oberschenkel.“ Auf meine Anfrage nach Lymphdrainage, war ihre Antwort: Das braucht er nicht und wegen dem Hämatom müsse man gucken, dass keine Blutgerinnungsstörung vorliegt. Ich schlug ihr vor, genau das für die Krankenkasse aufzuschreiben. Diesmal hat es geklappt. Wir sind mit Claus zum Physiotherapeuten gefahren und der hat uns bestätigt, dass er Lymphdrainage braucht. Nun habe ich auch nach erneuten Drängen das Rezept in Händen. Nebenbei kriegt Claus jetzt auch Orthesenschuhe und er findet es nicht mehr ganz so schlimm, wenn er zum Arzt muss. Er bekommt jetzt seine Frühförderung und im August kann ich ihn nun getrost in den Integrationskindergarten schicken; er hat nämlich gute Fortschritte gemacht. Vor kurzem habe ich mich getraut, mich im Forum für KTS-Betroffene anzumelden und ich wünschte mir jetzt, ich hätte das schon eher getan. Ich fühle mich zum ersten Mal nicht mehr alleine und weiß jetzt; dass es anderen ganz genauso geht. Ich habe viele wertvolle Tipps erhalten. Ich frage mich ständig, warum man um alles so viel kämpfen muss, warum keiner bereit ist, einen zu unterstützen. Das Kind kann doch nichts dafür, das es krank ist und wir doch auch nicht. Das ärgert mich so doll, ich möchte mehr erreichen und würde mich freuen, wenn wir dazu beitragen könnten, dass es leichter wird. Ich finde es wichtig, dass die Öffentlichkeit mal erfährt, wie es ist, wenn man eine seltene Erkrankung hat - wie schwer es für alle Beteiligten ist und wie viele Steine einem in den Weg gelegt werden! Lieber Gruß.

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