Zur Person:

  • Ich bin 16 Jahre alt, wohne in Luxemburg und bin mit einer arterio-venösen Malformation auf der linken Gesichtshälfte geboren. Nach einer aufwändigen Suche bezüglich Diagnostik und Behandlungsverfahren werde ich seit meinem 9. Lebensmonat in Berlin und etwas später in Eberswalde behandelt.

Weißt du, wie viele Eingriffe es waren?

  • Ungefähr 127 Vollnarkosen, darunter etliche Operationen, aber vorwiegend Embolisationen und Laserbehandlungen.

Du bist jetzt eine junge Frau kurz vor dem Eintritt ins Erwachsenenalter. Wie würdest du rückblickend deine bisherige medizinische Betreuung bewerten?

  • In meiner bisherigen medizinischen Betreuung gab es sowohl ups als auch downs. Zu den ups zähle ich auf jeden Fall all jene kritischen Phasen, wo mir schnell und gut geholfen wurde. Obwohl mir beispielsweise in meinem Land nicht aktiv geholfen werden kann, haben auch meine hiesigen Ärzte ihr Bestmögliches getan, um mich dann sicher nach Eberswalde zu kriegen. Zu den downs zähle ich eher die teils mangelnde, teils wenig transparente Kommunikation zwischen allen Beteiligten, zwischen den Ärzten untereinander, den Ärzten und dem Pflegepersonal sowie uns als Familie. Ein weiterer negativer Punkt wäre die vielfach unzufriedenstellende Hygiene innerhalb der Krankenhäuser und dem damit verbundenen Infektionsrisiko.

Gab es bestimmte Altersphasen, wo es für dich besonders schwierig war, einen anstehenden Eingriff zu akzeptieren?

  • Ich würde meine frühe Pubertät, im Alter von 10-11 Jahren, als eine derartige Zeit beschreiben. Meine ersten Transplantationen fanden in diesem Zeitrahmen statt und für mich war es schwierig mit meinen Ängsten vor derart schwerwiegenden OPs, aber auch mit dem im Nachhinein veränderten Aussehen klarzukommen. Natürlich fiel mir kein Eingriff leicht, egal in welcher Altersphase ich mich auch befand.

Was würdest du den Erwachsenen raten, wie sie sich in solchen Momenten verhalten sollen?

  • Ich würde den Erwachsenen raten ein offenes Ohr für den Betroffenen parat zu halten, damit dieser sich bei Bedarf mitteilen kann. Außerdem rate ich Mitleid, wenn man welches hat, nicht allzu deutlich zu zeigen. Mich persönlich zieht das nämlich immer runter und das kann man in einer schwierigen Situation nicht gebrauchen. Ich denke, man wünscht sich vor allem eine Stütze, jemanden der aufmerksam zuhört, einen aufbaut und nicht allein lässt.

Was wünschst du dir vom idealen Arzt?
Der ideale Arzt sollte den Patienten ernst nehmen und letzterem Glauben schenken. Ich finde nämlich, dass keiner den eigenen Körper so gut kennt wie man selbst. Man sollte daher den Patienten selbst anhören, vor allem wenn dieser keine x-beliebige Beschwerde, sondern eine chronische und dazu noch seltene Erkrankung hat.

Wie wünschst du dir die ideale Pflege / das ideale Krankenhaus?

  • Ich wünsche mir für die ideale Pflege vor allem keinen falschen Stolz vom Krankenhauspersonal, egal ob Arzt oder Pfleger. Traut man sich selbst etwas nicht zu, ist sich unsicher oder weiß es ganz einfach nicht, ist es besser dies offen mit dem Patienten zu besprechen. Macht man einen Fehler ist es auch keine Schande diesen zuzugeben. Außerdem finde ich, dass man ein Patientenzimmer immer rücksichtsvoll betreten sollte, schließlich weiß man im Voraus nicht in welchem Zustand man den Patienten vorfindet oder ob dieser beispielsweise gerade sein Mittagsschlaf macht. Zudem kann ein Lächeln auf den Lippen nicht schaden, wenn man ein Zimmer betritt. Empathie und Respekt der Privatsphäre wären hier meine Schlüsselwörter. Außerdem wünsche ich mir von dem idealen Krankenhaus viel Kommunikation zwischen sämtlichen Parteien und die damit verbundene Teamarbeit.

Wie wichtig ist ein normaler Alltag trotz chronischer Erkankung (Bedeutung von z. B. Familie/Eltern/Schule )?

  • Ich finde einen normalen Alltag sehr wichtig. Es existiert ja nicht nur die Erkrankung, sondern auch der Mensch an sich. Auch in der Schule finde ich Normalität sehr wichtig. Ich finde es nämlich nicht gerecht auch noch im Schulalltag benachteiligt zu werden. Meiner Meinung nach muss man sich in einer derartigen Situation wehren und wenn nötig seine Rechte einfordern.

Welchen Rat würdest Du anderen betroffenen Kindern / Jugendlichen geben?

  • Auch wenn eine Erkrankung ordentlich nerven kann, sollte man nie seine Lebensfreude verlieren, denn selbst bittere Tage sind lebenswert. Natürlich ist das nicht immer so einfach umzusetzen.

Mein Lebensmoto: "Forever is our today (who waits forever anyway)" (Queen: "Who Wants to Live Forever") [Die Ewigkeit ist unser Heute. Wer wartet schon ewig?]

Gibt es Fragen, die du an die Zukunft hast?

  • Wie geht es mit dem ZVM weiter, wenn die derzeit behandelnden Ärzte in Rente gehen?
  • Kann man eine AVM genetisch weitervererben z.B. durch eine Schwangerschaft?
  • Mit welchen Fortschritten kann man bezüglich der Forschung im Bereich der AVM rechnen?
  • Wie weit ist die Genetik in diesem Bereich?
Das Gespräch mit Lise führte Frau Dr. Cangir am 12.09.2020.
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